Das Herrenholz

Das Herrenholz ist ein etwas über 10 ha großer Eichen- und Hainbuchenwald zwischen Stammersdorf und Hagenbrunn, östlich der Stammersdorfer Kellergasse und südlich des Mitterhaidenwegs, der im Eigentum einer Forstgemeinschaft von 64 Wald- und Weidgenossen ist.[1]

Hier befand sich während des 2. Weltkriegs ein Reparaturwerk für Flugzeugmotoren: Nach der Zusammenfassung des Reparaturbetriebs für Flugmotoren der ehemaligen Austro-Fiat Flugmotoren Gesellschaft m.b.H. in der Österreichische Automobilfabrik in wurde diese 1939 in Wiener Flugmotoren Reparaturwerk Gesellschaft m.b.H umbenannt. Um die notwendigen Kapazitäten bereitstellen zu können, wurde noch vor dem Krieg mit ½ Mio Reichsmark Unterstützung durch das deutsche Luftfahrtsministerium ein neues Werk im Stammersdorfer Herrenholz geplant und erreichtet. Das Betriebsgelände umfasste mehrere Produktionshallen und -baracken, deren Grundmauern und Betonböden heute noch erhalten sind, und einen Löschteich, der erst 2002 abgerissen wurde.
Im Jahr 1940 begann hier die Instandsetzung von BMW-Sternmotoren für Ju 52 und von Daimler-Benz-12-Zylinder-V-Motoren für die Messerschmitt-Jagdflugzeuge, wobei aber die Produktivität stets unter dem Plan war. Verschärft wurde das noch durch die 1941 erfolgte Verpflichtung der halben Belegschaft in eine neu errichtete Frontreparaturwerkstätte an der Ostfront. Daher wurden auch von der Wiener Flugmotoren Reparaturwerk Gesellschaft m.b.H. ab 1942 französische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zur Produktion eingesetzt. Dennoch ist es in keinem Jahr gelungen, das Plansoll an reparierten Flugmotoren zu erzielen.[2]

Im Jahr 1943 waren im Werk 500 Arbeitskräfte beschäftigt, davon waren 50 französische Kriegsgefangene. Bis zum Jahresende 1943 stieg die Belegschaft auf 611 Personen, wovon fast die Hälfte „Fremdarbeiter“ (127 Kriegsgefangene und 154 freie Ausländer) waren, die in diesem Jahr 1.307 Grundüberholungen von Flugmotoren durchführten.[3]

Für Sommer 1944 ist durch das „Belgische Nationale Suchdienstbüro“ ein Gestapolager für Geiseln im Herrenholz dokumentiert, die auch im Flugmotoren-Reparaturwerk zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden.[4] 

Die für das Jahr 1944 geplante Erhöhung der Zahl der Beschäftigten auf 1.100 Personen wurde nie erreicht und auch der Ausbau um eine weitere Halle war derart schlecht durchgeführt, dass diese Halle im April 1944 wegen Feuergefahr gesperrt werden musste. Dennoch erreichte das Werk im August 1944 mit 816 Personen den Höchststand an Beschäftigten (davon 125 Kriegsgefangene). Ab Herbst 1944 wurden dann nur noch Daimler-Benz-Motoren repariert.[5]

Flugmotor
Flugmotor Daimler Benz DB-600, Foto von L’Aerophile März 1939; Siehe https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/Daimler_Benz_DB-600_L%27Aerophile_March_1939.jpg

Sobald Wien im Jahr 1944 in die Reichweite der alliierten Luftangriffe gelangte, wurden auch im Flugmotoren Reparaturwerk Luftschutzeinrichtungen errichtet, und auf den Dächern der Werkshallen wurden FLAK-Stellungen installiert. Nördliche der Werkshallen wurde ein Splittergraben errichtet, in dem die Beschäftigten im Falle von Luftangriffen Schutz suchen konnten.[7]

Herrenholz Splittergraben
Splitterschutzgraben im Herrenholz (Foto: Heinz Berger)

Das Werk wurde aber kaum bombardiert und blieb abgesehen von wenigen geringeren Schäden bis zum Kriegsende weitgehend intakt. Dennoch ging die Produktivität bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 aufgrund des Mangels an Ersatzteilen stark zurück. Es gab Pläne, die Produktion zum Schutz vor Luftangriffen in Keller in Langenzersdorf zu verlegen, aber der Betrieb im Flugmotoren-Reparaturwerk Herrenholz blieb jedenfalls bis zum Eintreffen der Roten Armee im April 1945 aufrecht.[8]

Nach Kriegsende wurden die Produktionsanlagen aus dem Herrenholz abtransportiert. Die Hallen wurden bei einem Unfall durch einen Brand stark beschädigt und mussten dann aus Sicherheitsgründen gesprengt werden. Im Wald waren noch sehr lange viele Betonteile sichtbar, die aber im Jahr 2002 gemeinsam mit dem Löschteich entfernt wurden. Wenn man heute ein wenig aufmerksam durch den Wald geht, fallen sehr schnell die betonierten Fundamente und Flächen auf. Diese sind zwar inzwischen sehr stark überwuchert, aber an einigen Stellen sind auch noch größere Betonflächen zu sehen.

Herrenholz Betonboden
Betonboden einer ehemaligen Werkshalle des Flugmotoren-Reparaturwerkes im Herrenholz (Foto: Heinz Berger)

Im nordwestlichen Bereich des Herrenholz‘ ist der Splittergraben mit zwei Eingängen und einigen Luftschächten bis heute erhalten geblieben.[9]

Herrenholz Splittergraben Abgang
Abgang zum Splitterschutzgraben im Herrenholz (Foto: Heinz Berger)

[1]       Siehe Karl Kafka, Die Poststation „Rendezvous“ (Stammersdorf), in: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, Jahrgang 1957, Band 13, S. 153; oder die Infotafel der Stadt Wien am Floridsdorfer Mitterhaidenweg zur Forstgemeinschaft (https://www.austriasites.com/vienna/assets/img/sehenswuerdigkeiten/bezirk21/sww5_237.jpg).  

[2]       Siehe Karl-Heinz Rauscher, Von Fiat Wien zu MAN-Nutzfahrzeuge Österreich, Gnas: Weishaupt Verlag 2008, S. 134; und Hans Seper, Von Austro-Fiat zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG. Werdegang – Personen – Kraftfahrzeuge, Wels: Verlag Welsermühl 1994, S. 141-143.

[3]       Siehe Karl-Heinz Rauscher, Von Fiat Wien zu MAN-Nutzfahrzeuge Österreich, Gnas: Weishaupt Verlag 2008, S. 134-135.

[4]       Das „Belgische Nationale Suchdienstbüro“ dokumentierte um den 11. 7. 1944 ein „Straflager“ im Herrenholz. Siehe Martin Weinmann (Hg.), Das nationalsozialistische Lagersystem, Frankfurt am Main, 3. Aufl. Zweitausendeins 1999, S. 29.

[5]       Siehe Karl-Heinz Rauscher, Von Fiat Wien zu MAN-Nutzfahrzeuge Österreich, Gnas: Weishaupt Verlag 2008, S. 135.

[6]       Siehe https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/Daimler_Benz_DB-600_L%27Aerophile_March_1939.jpg.  

[7]       Siehe Marcello La Speranza, Burgen, Bunker, Bollwerke, Graz u.a.: Stocker 2004, S. 300. Es handelte sich bei diesem Splittergraben aber nicht um einen eigentlichen Bunker, sondern nur um einen Unterstand der vor Granat- und Bombensplittern aber auch vor Verschütten schützen sollte (ähnlich wie Luftschutzkeller), aber nicht um einen richtigen Bunker, da dieser Unterstand sicher keinen Bombentreffer ausgehalten hätte.

[8]       Siehe ehemalige Infotafel der Stadt Wien am Mitterhaidenweg zum Flugmotoren-Reparaturwerk: https://www.austriasites.com/vienna/assets/img/sehenswuerdigkeiten/bezirk21/sww5_236.jpg;  Karl-Heinz Rauscher, Von Fiat Wien zu MAN-Nutzfahrzeuge Österreich, Gnas: Weishaupt Verlag 2008, S. 135.

[9]       Siehe Marcello La Speranza, Burgen, Bunker, Bollwerke, Graz u.a.: Stocker 2004, S. 300. Es handelte sich bei diesem Splittergraben aber nicht um einen eigentlichen Bunker, sondern nur um einen Unterstand der vor Granat- und Bombensplittern aber auch vor Verschütten schützen sollte (ähnlich wie Luftschutzkeller), aber nicht um einen richtigen Bunker, da dieser Unterstand sicher keinen Bombentreffer ausgehalten hätte.

Die Alten Schanzen

Karte Alte Schanzen
Kartenausschnitt mit den alten Stammersdorfer Schanzen aus der Franzisco-josephinischen Landesaufnahme des Militärgeographischen Institutes von 1873; Siehe https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aufnahmeblatt_4657-3a_Bisamberg.jpg (Foto: Heinz Berger)

Bereits im Dreißigjährigen Krieg wurde der Bisamberg als militärischer Vorposten zur Verteidigung von Wien genützt und seit den Napoleonischen Kriege wurden Bisamberg und Rendezvousberg aufgrund der strategisch guten Lage von der Armeeführung der Habsburgermonarchie immer wieder als möglicher Ort für befestigte Verteidigungsanlagen für Wien erwogen. Auch wenn die Wiener Stadtmauern im 19. Jahrhundert bereits einen Anachronismus darstellten, so wurde ihre Schleifung ab 1857 immer wieder als Argument für die Errichtung weiter vorgelagerter Verteidigungsanlagen vorgebracht.[1]
Im Vorfeld des Deutschen Krieges gegen Preußen im Jahr 1866 wurde diese Region dann in die konkreten Planungen zur Verteidigung von Wien als befestigter Vorposten einbezogen. Nach der verheerenden Schlacht bei Königgrätz rückten die preußischen Truppen nach Niederösterreich vor und bezogen im Weinviertel und im Marchfeld Stellung.[2]

Die österreichische Heeresleitung lies eine Verteidigungslinie von 31 Schanzen (genannt „Werke“) von Langenzersdorf am nördlichen und nordöstlichen Rand des Bisambergs entlang, über den Rendezvousberg, Leopoldau, Kagran, Hirschstetten und Aspern bis zur damaligen Insel Lobau errichten. Um die Arbeiten möglichst rasch voranzutreiben, wurde auch die Bevölkerung (auch Kinder und Alte) aus den umliegenden Dörfern zwangsverpflichtet. Sie mussten Gräben ausheben, Wälle aufwerfen und Geschützstellungen befestigen.[3] Zuerst wurde der Oberboden abgetragen und das Erdreich zum Aufschütten der Wälle verwendet. Die Verteidigungsanlagen hatten eine Höhe von knapp 3 bis knapp 4 Metern. Die einzelnen Schanzen waren jeweils eigenständige Verteidigungsanlagen, die sich aber gegenseitig deckten.[4]

Während die preußischen Truppen heranrückten, wurde mit Hochdruck an der Fertigstellung der Verteidigungsanlage gearbeitet, die auch durch Laufgräben und Telegrafenleitungen verbunden war.[5]

Außerdem wurden auch noch zwei kleinere Befestigungsringe (Noyau-Werke) um die Brückenköpfe Floridsdorf und Stadlau gebaut.[6]

1866 ist es an den alten Stammersdorfer Schanzen zu keinen Kämpen mehr gekommen, da bereits zuvor in Eibesbrunn ein Waffenstillstand und bald darauf der Frieden von Prag geschlossen wurde.[7]

Auch zu Beginn des ersten Weltkriegs wurden die Schanzen wieder reaktiviert, um Wien vor den erwarteten russischen Truppen zu verteidigen. Aber auch diesmal kam es hier zu keinen Kampfhandlungen, da die russische Armee bei der Winterschlacht in den Karpaten 1914/1915 aufgehalten und wieder zurückgedrängt wurden.[8]

Wälle und Gräben sind noch sehr gut sichtbar und nicht nur für Fachleute als solche erkennbar, aber teilweise sind die alten Verteidigungsanlagen aus dem Deutschen Krieg von 1866 durch neuere Befestigungen und Stellungen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg überformt, was sich heute meist nur noch auf Basis historischer Quellen, aber kaum mehr aufgrund der Geländeformationen unterscheiden lässt.[9]
Optisch sind die Alten Schanzen IX bis XIII als kleine mit Büschen und Bäumen bewachsenen Hügel in der Landschaft gut und weithin sichtbar. Sie stellen ein einzigartiges kulturhistorisches Denkmal des Wandels der Kriegsführung über die Jahrhunderte hinweg dar.[10] Heute bergen sie eine besonders große Vielfalt an seltener Flora und Fauna und sind daher am 5. Juni 1981 zum Naturdenkmal erklärt worden und sind jetzt auch Teil des Natura 2000 Schutzgebietes Bisamberg.[11] 


Flora und Fauna


[1]       Siehe u.a. Franz-David Eschner, Die Schanzen am Wiener Bisamberg als Teil des Wiener Festungswerkes 1865, Wien: unveröffentlicht 2017, S. 13.

[2]       Siehe Paul Mitchell, Wiens vergessener Schutzring. Die sogenannten Preußenschanzen, 1866, in: Franz Pieler und Peter Trebsche (Hg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017. Festschrift für Ernst Lauermann, Asparn/Zaya: Bösmüller Print Management 2017, S. 435-436.

[3]       Siehe Erwin Anton Grestenberger, Befestigtes Wien. Von der römischen Antike bis zur Gegenwart, Graz: Neuer wissenschaftlicher Verlag 2002, S. 71.

[4]       Siehe Franz-David Eschner, Die Schanzen am Wiener Bisamberg als Teil des Wiener Festungswerkes 1865, Wien: unveröffentlicht 2017, S. 11-12.

[5]       Siehe Erich Hillbrand, Die Befestigungen des Bisamberges in den letzten 100 Jahren, in: Museumsverein Langenzersdorf (Hg.), Rund um den Bisamberg, Wien: Leinmüller 1974, S. 116.

[6]       Siehe Erwin Anton Grestenberger, Befestigtes Wien. Von der römischen Antike bis zur Gegenwart, Graz: Neuer wissenschaftlicher Verlag 2002, S. 85-94.

[7]       Siehe Walter Kleindel, Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur,Wien: Ueberreuter 1995, S. 264-268; Helmut Rumpler, Österreichische Geschichte, 1804–1914. Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie, Wien: Ueberreuter 1997, 397-401. Eine Gedenktafel zum Waffenstillstand befindet sich am Haus in der Brünner Straße 1 in Eibesbrunn.

[8]       Siehe Erwin Anton Grestenberger, Befestigtes Wien. Von der römischen Antike bis zur Gegenwart, Graz: Neuer wissenschaftlicher Verlag 2002, S. 80-81.

[9]       Vgl. Marcello La Speranza, Burgen, Bunker, Bollwerke, Graz u.a.: Stocker 2004, S. 173.

[10]     Siehe Franz-David Eschner, Die Schanzen am Wiener Bisamberg als Teil des Wiener Festungswerkes 1865, Wien: unveröffentlicht 2017, S. 14.

[11]     Vgl. Barbara Becker und Susanne Leputsch, Vegetation und Flora der Alten Schanzen, in: Heinz Wiesbauer, Herbert Zettel, Manfred A. Fischer und Rudolf Maier (Hg.), Der Bisamberg und die Alten Schanzen: Vielfalt am Rande der Großstadt, Wien 2011, S. 49-56.